Lichtblick-School

The Theatre of Real Life

Seminar von Wolfgang Zurborn an der Lichtblick School

Oktober 2010 bis März 2011

 


Peter Feldhaus, Ordentlich Studierende

mit Arbeiten von:
Enrico Duddeck • Christine Fischer • Stefan Hammer • Susanne Heincke
Werner Mansholt • Peter Feldhaus • Wolfgang Sümmermann

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Die Fotografie kann den Anschein erwecken, Wirklichkeit objektiv abzubilden, da die subjektive Interpretation hinter dem trügerisch realen Bild unsichtbar zu werden scheint. Jede fotografische Sicht ist aber immer ein persönliches Konstrukt unserer Welt, abhängig von individuellen Prägungen, inhaltlichen Interessen und ästhetischen Vorstellungen. Im Dialog mit anderen können wir die eigenen Fotografien verstehen lernen, um so einen unverbrauchten und eigenen Blick zu entwickeln. Diesen fruchtbaren Dialog auszulösen, ist das vorrangige Ziel des Seminars von Wolfgang Zurborn an der Lichtblick School in Köln.

Die Fotografie macht es uns möglich, unmittelbar dem zu begegnen, was für uns im alltäglichen Leben eine Bedeutung hat. So haben die TeilnehmerInnen im Laufe des 6-monatigen Seminars ihren subjektiven Vorlieben folgend eigene Themen bearbeitet und sind dabei zu sehr unterschiedlichen fotografischen Lösungen gekommen zwischen sachlicher Dokumentation, vielschichtiger Konzeption und subjektiv künstlerischer Interpretation.

Ein wesentlicher Aspekt bei der Entwicklung einer eigenen Bildsprache ist es, den spezifischen Charakter der persönlichen Herangehensweise an das Medium verstehen zu lernen. Intuition und Konzeption stellen bei diesem Prozess kein Gegensatzpaar dar, sondern ergänzen sich im Idealfall. Der Akt des Fotografierens ist ein hochkomplexer Vorgang in der Kommunikation mit der Umwelt, der ein unmittelbares Reagieren auf das Geschehen erfordert. Für das Editieren und die Präsentation des Bildmaterials ist eine konzeptionelle Durchdringung des fotografischen Ansatzes unverzichtbar. Auf der Suche nach einer Wahrhaftigkeit in der Fotografie gibt es nicht die eine richtige oder falsche Methode. Alles ist Fiktion. Dokumentation und Inszenierung haben mehr gemeinsam als vermutet.


Peter Feldhaus, Ordentlich Studierende

Die Arbeit Ordentlich Studierende von Peter Feldhaus verbindet in sehr komplexer Form die Aspekte von Dokument, Inszenierung und Konzeption. Portraits von Studentinnen und Studenten der Heinrich Heine Universität Düsseldorf werden Interieuraufnahmen der Lehrräume gegenübergestellt. Gemeinsam vermitteln diese beiden Ebenen der Serie ein Lebensgefühl im Rahmen eines Studiums, das die Studierenden so sehr in Anspruch nimmt, dass kaum mehr Zeit für andere Interessen bleibt. Die Personen werden von dem Fotografen in den Räumen der Universität so in Szene gesetzt, dass sie in einem Moment großer Konzentration etwas preisgeben von sich selbst auf der Suche nach einer eigenen Identität. Die Prägung des Menschen von seinem Lebensumfeld ist für Feldhaus von großer Bedeutung und deshalb lässt er präzise gesehene fragmentarische Einblicke in die Lehrräume mit den Portraits in Dialog treten. Jenseits einer rein funktionalen Darstellung der Orte und Gegenstände, geben diese Fotografien den Objekten, Materialien, Oberflächen und Farben eine ganz eigenständige Aussagekraft, die etwas erzählt vom Spannungsfeld zwischen Individualität und Konformismus.


Enrico Duddeck, Hauptstadt der Energie

Enrico Duddeck richtet seinen fotografischen Blick auf die Hauptstadt der Energie, wie sich die Stadt Grevenbroich selbst stolz bezeichnet. Dort befindet sich die größte, zusammenhängende Lagerstätte für Braunkohle in Europa und ein Teil dieses fossilen Brennstoffs wird in den Braunkohlekraftwerken der Umgebung zur Stromerzeugung verfeuert. Die Kraftwerke Frimmersdorf und Neurath liegen innerhalb der Stadtgrenze und sorgen dafür, dass Grevenbroich zu den Städten Europas mit der größten Umweltverschmutzung gezählt wird. Mit schonungsloser Detailgenauigkeit dokumentiert Enrico Duddeck die Allgegenwärtigkeit der rauchenden Schlote im Alltag der dort lebenden Menschen. Konsequent in der Verwendung einer vergleichbaren Perspektive und eines fahlen Lichts schafft er eine beklemmende Serie von Fotografien, die seine Kritik an den Lebensumständen in dieser Stadt deutlich macht.


Wolfgang Sümmermann, Kein Winterdienst

Schöne Fassaden und Glitzermeilen können Wolfgang Sümmermann nicht beeindrucken. Sein Augenmerk gilt eher den Rückseiten der urbanen Räume, den alltäglichen und versteckten Orten und Ecken, die schnell vergessen werden und an denen sich niemand lange und gerne aufhält. Waschsalons, alte Schwimmbäder. Supermärkte, Bahnhöfe und Krankenhäuser üben einen großen Reiz auf ihn aus mit ihrer versteckten Schönheit und ihrer ganz eigenen Realität.
Die Serie Kein Winterdienst ist in einem Garagenhochhaus in Wasserburg/Inn entstanden. Mit großer formaler Sicherheit für die Aufteilung des Bildformats und die Verwendung von Farbe erreicht er in der Abbildung dieser Gebrauchsarchitektur ein Maß an Abstraktion, die weit über die rein funktionale Darstellung der Räume hinaus Sinnbilder unserer Alltagskultur schafft. Spuren der Präsenz des Menschen werden durch sehr bewusst in Szene gesetzte Gegenstände, Schilder, Schriften und Reifenspuren sichtbar.


Stefan Hammer, Wirklichkeit?

Stefan Hammer ist skeptisch gegenüber dem Anspruch der Fotografie, ein eindeutiges Bild der Wirklichkeit zu vermitteln. Mit seiner Serie Wirklichkeit? nimmt er den Betrachter mit auf die Reise in eine Übergangszone zwischen realen und medialen Räumen. Man verliert die Orientierung in den vielschichtigen Ebenen seiner Bilder. Die urbanen Räume, vorrangig in asiatischen Metropolen fotografiert, erscheinen wie ein Labyrinth von Zeichen der Massenmedien. Ikonen der Werbung und der Kunst sind allgegenwärtig. Es entsteht eine unmerkliche Verschiebung der Wahrnehmung einer eigentlich vertrauten alltäglichen Umgebung hin zu der irritierenden Vision einer Welt, in der sich die Grenze zwischen Fiktion und Realität aufgelöst hat. Die allgegenwärtigen Mythen der Medien werden in den unkonventionellen Perspektiven und eigenwilligen Ausschnitten des Fotografen ironisch gebrochen.


Christine Fischer, Utopia

Voller Rätselhaftigkeit sind auch die fantastischen Traumwelten, die Christine Fischer in ihrer Serie Utopia entwirft. Ihre Fotografien entführen uns in eine Welt zwischen Realraum und Illusionsraum. Die Bühnen für die Vorführung des Animalischen im Nachttierhaus des Frankfurter Zoo fotografiert sie so ausschnitthaft, dass die Inszenierung nicht mehr zu erkennen ist. Mit der spannungsvoll ins Bild gesetzten vorgetäuschten Natürlichkeit entwickelt sie in ihren Fotografien eine suggestive Kraft, die den Betrachter in ihren Bann zieht. Das präzise Gespür für die Wirkung von Materialien, Farben und Licht lässt einen ganz eigenen ästhetischen Raum entstehen. Christine Fischer leitet uns zu einer Schnittstelle des Imaginären, als utopischer Entwurf einer „perfekten anderen Welt“. Die Absichtslosigkeit des Traumes mit seiner kreativen Kraft wird für sie zum sinnstiftenden Element.


Susanne Heincke

Wie in einen Tagtraum versetzt fühlt sich der Betrachter auch in den Bildern von Susanne Heincke. Die Fotografien fügen sich wie ein Tagebuch einer Reise zusammen, ohne dabei die besuchten Orte genau zu beschreiben. Sie schafft keine Dokumente einer anderen Kultur, vielmehr macht sie den Zustand des Reisens, die Veränderung der Wahrnehmung selbst zum Thema ihrer Arbeit. Die Orientierung scheint verloren zu gehen und in mehreren Schichten durchdringen sich Körper, reale Orte und Illusionsräume. Der Verzicht auf eine strenge Konzeption bei dem Blick auf das Fremde ermöglicht es der Fotografin, sich in einen Bewusstseinszustand zwischen neugieriger Faszination und verwundernder Irritation zu versetzen. Sie sensibilisiert sich für die zufälligen Augenblicke, in denen das Bild der äußeren Welt deckungsgleich mit der inneren Seelenlandschaft ist.


Werner Mansholt, Senegal

Die Herausforderung bei dem Fotografieren in einer fremden Kultur ist es, sich auf das „Andere“ einlassen zu können ohne mit vorgefassten Wertvorstellungen den Blick zu verengen. Werner Mansholt sucht bei seiner Reise in den Senegal nach Momenten des Erlebens und schafft damit vitale Dokumente des Alltags in diesem westafrikanischen Land. Er will keine Bilder „stehlen“, keine klischeehaften Motive abschöpfen. Das Interesse an den Lebensumständen in Senegal treibt ihn an, authentische Geschichten zu erzählen, die ihm auf den Strassen und öffentlichen Plätzen begegnen. Die hohe Kunst ist es für ihn dabei, sich „unsichtbar“ zu machen und keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Jegliches Posing für die Kamera würde ihn stören, da es ablenken würde von dem, was ihn wirklich fasziniert, vom Augenblick, in dem alle Details im Bild zusammenwirken und die Menschen im Verhältnis zu ihrem Lebensraum gezeigt werden.