Lichtblick-School

The Theatre of Real Life Vol. 17

6-monatiges Seminar von Wolfgang Zurborn an der Lichtblick School
Juni - Novemberl 2020


Cover des Katalogs zum Seminar The Theatre of Real Life vol. 17, Fotografie: Norbert Holick

mit Arbeiten von:
Lilo Mangelsdorff • Jutta Stocksiefen • Frauke Stärk • Ingrid Blessing • Nornert Holick • Massimiliano Corteselli

Seminarkatalog durchblättern und bestellen bei Blurb

Dem ansonsten Übersehenen wieder ein Gewicht zu verleihen, ist ein Kernanliegen, das in fast allen persönlichen Statements der an diesem Katalog beteiligten Fotograf/Innen als Motivation genannt wird. Dieses Bedürfnis entsteht aus der Erkenntnis heraus, dass uns durch die Informations- und Bilderflut der Medien eigentlich vorgegeben wird, was bedeutend, erstrebens- oder verachtenswert ist. Der künstlerische Akt, subjektive Wahrnehmungen unseres Lebensraums mit dem Medium Fotografie zu schaffen, stellt eine Befreiung aus den Normierungen konventioneller Bildwelten dar. Ein wesentlicher Aspekt bei der Entwicklung einer eigenständigen Bildsprache ist dabei, im Prozess des Editierens ein Narrativ zu kreieren, das einzelne Motive so zusammenwirken lässt, dass eine subjektive Interpretation des Abgebildeten für den Betrachter nachvollziehbar wird.

Die Teilnehmer/Innen des Fotoseminars "The Theatre of Real Life" von Wolfgang Zurborn an der Lichtblick School in Köln haben an ganz unterschiedlichen Formen des Zusammenspiels von Bildern gearbeitet. Mit märchenhaften Schichtungen aus Vergangenheit und Zukunft, Collagierungen des Alltäglichen, poetischen Kollisionen und tagebuchähnlichen Skizzen von Gefühlswelten, entsteht ein Kosmos von individuellen Sichten auf unser gegenwärtiges Leben.


Lilo Magelsdorff, Urbane Fragmente

Die Fotografien aus der Serie Urbane Fragmente von Lilo Mangelsdorff verdichten mit ungewöhnlichen Perspektiven den Blick auf das städtische Leben. In ihrer visuellen Vielschichtigkeit lassen sie keine schnelle, oberflächliche Betrachtung zu. Die Ausschnitthaftigkeit der Motive kappt kausale und funktionale Zusammenhänge und gibt den Objekten und Architekturen im Stadtraum eine eigenwillige physische und ästhetische Präsenz. Der Einsatz von Licht und Farbe betont die materielle Beschaffenheit des Abgebildeten und lässt den Betrachter die Welt eher ertasten als begrifflich sortieren.


Jutta Stocksiefen, monsterci

Wie ein dadaistisches Gedicht wirkt das Zusammenspiel der Bilder in der Arbeit monsterci von Jutta Stocksiefen. Mit viel Sinn für Humor lässt sie Fotografien von Alltagsobjekten auf einem subtilen Gratwandel zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit in ausgefeilten Bildkonstellationen aufeinanderprallen. Gerade die Reibung der vordergründig unterschiedlichen Stilistiken lässt die dargestellten Dinge zu Requisiten eines absurd wirkenden Theaters werden. Auf den ersten Blick folgt die Kombination von Objekten keiner linearen Logik. Die Interaktion aller Fotografien in der räumlichen Anordnung befreit die Objekte von ihrer Funktionalität und ermöglicht eine komplex assoziative Wahrnehmung des Abgebildeten.


Frauke Stärk, Präriefeuer

Völlig losgelöst von Zeit und Raum entführt uns die Arbeit Präriefeuer von Frauke Stärk in eine traumhafte Bilderwelt, in eine Zeitreise zu archaischen Kulturen. Dabei werden existentielle Fragen über unsere Zivilisation aufgeworfen, auf das Verhältnis von Mensch, Natur und Geschichte. "Der Himmel beginnt zu weinen". Diese Zeile aus einem Gedicht einer indigenen Kultur Nordamerikas, das die Künstlerin ihrer Serie beigefügt hat, verdeutlicht ihre Intention. Es ist gerade die Paradoxie der vielschichtigen Überlagerungen von Zeugnissen unterschiedlicher Kulturen, die einen empathischen Blick auf die Vergangenheit möglich macht. Frauke Stärks Bilder geben uns eine Ahnung davon, wie sehr unser rationales Denken auf archaischen Bildern beruht, die wir seit frühen Zeiten in uns tragen.


Ingrid Blessing, Alles Walzer

Die Stadt erscheint in der Serie Alles Walzer von Ingrid Blessing als ein lebendiger Organismus. Alles bleibt in Bewegung und kein begradigender Blick stoppt die Energie, die das urbane Leben ausmacht. Die Sequenz der Bilder folgt einem musikalischen Empfinden und keiner linearen Narration. Im Stil einer Streetphotography werden die flüchtigen Momente des Alltags eingefangen, aber auch in imaginärer Abstraktion, die eher an Saul Leiter erinnern lässt. Einen Gegenpol zu den Bildern des städtischen Treibens bilden Fotografien von Pflanzen. Dabei entsteht ein vielschichtiger Dialog, der das Urbane als etwas Organisches erscheinen lässt und dabei zugleich den Druck heraus nimmt aus der Hast, die uns permanent antreibt.


Norbert Holick, Tales from the Loop

Norbert Holick geht es darum, mit seinen fotografischen Arbeiten einen unverbrauchten Blick auf das zu formulieren, was abseits der grossen Motive liegt und eher zufällig und unbewusst wahrgenommen wird. In den ungewöhnlichen Bildpaaren seiner Arbeit Tales from the Loop fügt er Fundstücke des Alltäglichen mit einem präzisen Gespür für Farbe und Form so geschickt zusammen, dass die abgebildeten Gegenstände, Figuren, Zeichen und Körper im visuellen Zusammenspiel die Fantasie des Betrachters anregen. Jenseits des reinen Abbilds entstehen Konstruktionen des Realen, die losgelöst vom Anspruch einer eindeutigen Interpretation der Wirklichkeit eine assoziative Vielschichtigkeit der Wahrnehmung voller Witz und Ironie ermöglichen.


Massimiliano Corteselli, Dichotomien der Stadt

In der Serie Dichotomien der Stadt von Massimiliano Corteselli spielen die Begegnungen mit Menschen eine zentrale Rolle. Intime Portraits, Rückenansichten, extreme Mimik und der Einsatz von dramatischem Licht zeigen alle Protagonist/Innen in sehr unterschiedlichen emotionalen Zuständen. Interieurs, Stadträume und Landschaften bilden im Fluss der Bilder einen Bühnenraum für die Akteur/Innen, die sich an Gabelungen des Lebens zu befinden scheinen. In der Fragilität der Erzählung wirken die Fotografien wie Tagebucheinträge auf einer Reise zur eigenen Identität. Sie könnten aber auch eine fiktive Konstellation von zufälligen Begegnungen darstellen. Diese Frage lässt der Bildautor bewusst offen, um den Betrachter die Möglichkeit zu geben, in den expressiven Bildern einen Katalysator für die Erkundung der eigenen Gefühlswelt zu sehen.