Lichtblick-School

Strukturwandel

Interdisziplinäres Seminar von Barbara Burg an der FH Dortmund


Ausstellung Strukturwandel, Galerie Lichtblick, 2009


mit Arbeiten von: Stefan Becker • Nina Ebbinghaus • Olga Kessler • Nico Schmitz • Christine Steiner

Die hier gezeigten Arbeiten erhielten zahlreiche Auszeichnungen. Unter anderem vier von fünf Preisen des bridges | Fotoprojekt emscher:zukunft, den epson-class-art-award, output | foundation for future, design and education. Eine der Arbeiten wurde im Rahmen des Fotofestivals Zingst gezeigt.

Auch heute noch weist das Ruhrgebiet eine paradoxe städtische Raumstruktur mit vielen Zentren und Folgen auf, welche sich aus der industriellen Erschließung der Bodenschätze und der explosiven Besiedelung ergeben. Heute sind die Strukturen des Lebens, Arbeitens und Wohnens, zwischen Stadt und Land, Natur und Technologie, Ansässigkeit und Mobilität im tiefgreifenden Wandel der nachindustriellen Epoche begriffen.
11 junge Künstler, Studentinnen und Studenten der FH Dortmund, aus dem interdisziplinären Seminar von Babara Burg, widmen sich diesem komplexen Thema in unterschiedlichen fotografischen Herangehensweisen und eindrucksvollen Bildstrecken.

Christine Steiner: Schwarzer Diamant – Nachtstücke

Nicht nur eine Metapher für den Wohlstand durch die Revierindustrie von Thyssen-Krupp zwischen Kohle und Stahl in Bruckhausen, Duisburger Norden, wo bald ein neutraler Grüngürtel angelegt werden soll. Sondern auch der schillernde Reklame-Name für ein abenteuerliches Schnapskasino und Montanarbeiter-Hotel in einem einstmals boomenden Industrie- und Wohnviertel mit der klingenden Bezeichnung „Klein Amerika“ und einem Hauch von Las Vegas. Leerstehende und verfallende Wohnungen, Mietzimmer und Ladenlokale. Christine Steiner: „ Ich habe mich auf eine letzte Nachtwanderung durch die Räume begeben, bevor sie der Abrissbirne zum Opfer fallen“. Entstanden sind wahrhaftige Nocturnes nach dem Ende einer Epoche, mit Licht und Schatten geschliffene Nachtstücke und gespenstische Interieurs, in denen noch einmal die Schatten einer lebendigen und lebenslustigen Vergangenheit inmitten der beschwerlichen Industrie- und Arbeiterwelt aufleuchten.

Nico Schmitz: Diorama

Schaukästen in Naturkunde und Technik-Museen mit realistischen Modelllandschaften und Modellfiguren und wechselnder Beleuchtung, eine Art Theater der Wirklichkeit. Nico Schmitz’ evokative Inszenierung stellt Landschaftsbilder, Naturstudien, Nahaufnahmen und Porträts zusammen, in blassen oder gesättigten Farben, in Licht und Gegenlicht. Dabei zehren die Bilder in ihrer kontrastiven Komposition von der Technik des Dioramas und der Möglichkeit eines abgeleiteten, vorgeformten Schauens und kreisen zugleich die Subjektivität eines unschuldigen Blicks ein, der die oft unmerklichen Formen des Alltags und die Jahreszeiten in einem Kosmos ganzheitlicher Erfahrbarkeit transformiert.

Olga Kessler: Aussicht Paradies

Fotopaare mit dem Ausblick auf eine zerstörte oder historisierte Umgebung im Umbruch und Wandel. Eine verblassende Kontinuität zwischen Einschnitt und Alltag – mit sensiblen Porträts in Interieurs kombiniert. Die Serie beeindruckt durch das Spiel der feinsinnig variierten Situationen und Motive, sichtbarer und unsichtbarer Geschichten. Olga Kessler: „Der Porträtierte befindet sich in einer doppelt codierten Übergangssituation: biologisch im Übergang vom Kind zum Erwachsenen, geboren in eine Umgebung, deren Vergangenheit er nicht zu verantworten hat und deren Zukunft ungewiss ist. Die paradiesischen Attribute dienen an dieser Stelle als Projektionsfläche für eigene Vorstellungen von einer heilen Welt.“

Stefan Becker/ Christine Steiner: Weiterbauen

Architektonische Aufnahmen, in denen zurückhaltende Dokumentation und wilde Inszenierung verschmelzen, „Visuell liegt unser Fokus auf der entstandenen/entstehenden strukturellen Vielfalt und architektonischen Verschachtelung. >Man kann nicht nicht kommunizieren<, formulierte Paul Watzlawick in seiner Kommunikationstheorie. Und wenn jede Handlung kommunikativen Charakter hat, kann wohl auch die Gestaltung des Eigenheims etwas über die Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen des Handelnden verraten.“ Der vermischte Baustil der hybriden Materialien führt zu einem Formvokabular, in dem Rustikales und Städtisches, Haus, Hof und Erkerstrukturen zum Schloss des Kleinen Mannes heranwuchern.

Nina Ebbinghaus: Aquatische Migranten

Wasserpflanzen als Migranten des täglichen Warenaustausches. Neophyten wie die Schmalblättrige Wasserpest, der Grosse Wassernabel, die Wasserschraube und der Indische Wasserfreund, die Kleine Rotala rotundifolia, das Raue Hornbaltt und die Grüne Cabomba. Die in der Emscher oft wild wuchernden Gewächse werden hier in Einzelbildern in abstrahierender Künstlichkeit in eigens gebauten durchsichtigen Tanks porträtiert, wie Bestimmungstafeln aus einem Werk über ökologische Aliens. Pflanzen als bisher kaum beachtete Migranten eines Umbruchs der Lebenswelt.